Siegfried Schüller
Dabei hatte alles so schön angefangen ...
Ein satirischer Essay zur Euro-Einführung
Vorbemerkung:
Nach Angaben der Deutschen Bundesbank in Frankfurt waren zum 30. November
2010 noch 13,45 Milliarden DM im Umlauf.
Nun ja, direkt im Umlauf werden diese Milliarden nicht sein – ich hab sie jedenfalls noch nicht
umlaufen sehen. Sie halten sich wohl
eher in Sparstrümpfen und -schweinen, in Münzsammlungen oder –
in Zeiten grassierender Demenz – in
diversen, vergessenen Geldverstecken verborgen.
Nicht erst seit Europas Politiker (zum Wohl
ihrer Banken) einen milliardenschweren Rettungsschirm für Länder wie Griechenland
oder Irland aufgespannt haben, wünschen sich viele Deutsche ihre gute alte D-Mark
zurück.
Das Gefühl, dass mit der Mark alles besser war und wieder besser werden
würde, hat jedoch wohl mehr mit der besagten Demenz zu tun, als mit politischem
oder wirtschaftlichem Verstand.
Wer glaubt, dass das Leben wieder billiger,
die Arbeitsplätze sicherer, die Löhne gerechter und die soziale
Ungerechtigkeit verschwinden wird, wenn man nur den Euro abschafft und die
D-Mark wieder einführt, der darf auch gerne glauben, dass die Hühner schuld
sind, wenn wir beim Verzehr ihrer Eier mit Dioxin vergiftet werden.
Dabei hatte alles so schön angefangen, wie Sie meinen
Erinnerungen an den Tag, als ich die ersten Euros in der Hand hielt, entnehmen können:
Alles Euro, oder was?
Seit heute Mittag bin auch ich stolzer Besitzer
eines Euro-Haushaltspäckchens¹, das ich zum Kurs von 20 DM zu 10,23 Euro
erstanden habe.
Aber was fang ich jetzt an damit? Ausgeben darf man den Euro ja noch nicht. Also
am besten gleich ab damit in die Münzsammlung, solange er noch so unberührt
glänzt?
Ach was! Sofort aufreißen muss ich die jungfräuliche Hülle. Anfassen will ich
ihn und spüren, den Euro. Wann sonst hat man schon die Gelegenheit, als Allererster
irgendwo seine Fingerabdrücke zu hinterlassen?
Es ist so weit. Zum ersten Mal halte ich es in meinen Händen, das neue Geld.
Und ich stelle fest, es stimmt: Geld stinkt nicht! – zumindest nicht, wenn es
gerade frisch aus einem Plastikbeutel kommt.
Schön sehen sie aus, die Euros und Cents – fast ein wenig wie zu groß
geratenes Spielgeld. Die Euros erinnern mich an die französischen
10-Franc-Münzen oder das italienische 500-Lire-Stück – gar nicht so
eintönig grau und spartanisch wie unsere Markstücke. Jetzt kann ich's ja
zugeben: Eigentlich fand ich sie ja eher hässlich, unsere ehrwürdige, alte D-Mark.
Aber wie's halt so ist, liebt man eben auch ein hässliches Kind, solange es nur
das
eigene ist.
Etwas dicker kommt mir das neue Geld vor – aber das darf es auch, wo es doch
fast das Doppelte wert ist. Außerdem fällt mir auf, dass die verschiedenen
Münzen ganz unterschiedliche Ränder haben – selbst ein Blinder kann sie also
kaum verwechseln. Was natürlich nicht heißen soll, dass man ab jetzt blind mit
seinem Geld um sich werfen kann.
Bei genauerem Hinsehen entdecke ich auf dem
Rand des Zwei-Eurostücks eine Inschrift: EINIGFEJT UND AECHT UND FREIKEIT
steht da zwischen den eingeprägten Rillen, aber von unseren Zwei- und Fünfmarkstücken
her weiß ich ja, wie es richtig heißen soll.
Die Cent-Münzen sehen etwas unscheinbarer aus.
Auf den 10, 20 und 50 Cent sind die Euro-Länder dargestellt, aber getrennt
voneinander, sodass Europa wie zerstückelt wirkt, während sie auf der 1- und 2-Euro-Münze
schon zu einem Euroland zusammengewachsen sind.
Man könnte das vielleicht so
deuten, dass es schon etwas mehr als Kleingeld kostet, bis Europa sich ganz
einig wird.
Die Rückseiten der oben genannten Münzen
zeigen dreimal das bekannteste Tor und zweimal den häufigsten Vogel unseres
Landes: Brandenburger Tor und Bundesadler, die Symbole dieser Republik –
geradlinig, abgezirkelt und etwas martialisch.
Wie phantasievoll und abwechslungsreich wirken dagegen die Rückseiten z. B. der
italienischen Euro-Münzen. Da könnte man glatt auf die Idee kommen, von der
Kehrseite der Münzen auf den jeweiligen Nationalcharakter zu schließen. Nun
ja, wenigstens schaut unser neuer Euro-Adler nicht mehr ganz so grimmig drein
wie der markige alte.
Aber hätte man denn im Land der Dichter und Denker nicht auch mal deren Köpfe
abbilden können?
Seit der Abschaffung von Max Planck²
hatten sich auf unseren Münzen schließlich nur noch Politikerschädel
eingeprägt. Nun gut: Sie waren die Hauptverantwortlichen für die bekannte
Härte unserer alten Währung, und immerhin machte Willy Brandt auf dem
Zweimarkstück noch einen entschieden lebendigeren Eindruck, als sein
modern-morbides Ebenbild, das heute in der Berliner SPD-Zentrale steht.
Durch die rechtzeitige Einführung des Euro wird es jedenfalls kein zukünftiges
Zweimarkstück mit Schmidt- oder Kohlkopf geben, obwohl doch gerade der
Altkanzler sich große Verdienste erworben hat um die deutsche und europäische
Einheit. Aber er wird sicher auch so seinen umstrittenen Platz in der "Gechichte"
finden.
Was mich besonders freut: Auf der Rückseite
der drei neuen Kupfermünzen hat sich, neben dem landesüblichen Eichenlaub auch
unser Bundesfinanzminister³ verewigt –
ganz klein und bescheiden, dafür aber in doppelter Ausführung.
Alles in allem und zusammenfassend möchte ich
feststellen:
Um unser schönes, altes Fuchzgerla mit der Abbildung
von Gerda Werner,
wie sie gerade eine junge deutsche Eiche pflanzt, tut es mir ein wenig leid, aber der Euro ist eine
runde Sache, an die wir uns gewöhnen werden. Ich bin schon gespannt auf die
neuen Scheine. Die sollen ja überall gleich aussehen, habe ich gehört.
1 Ab 17. Dezember 2001
konnte man in
Deutschland bei allen Banken und Sparkassen die sogenannten Euro-Starterkits
kaufen. Dieser Essay zu meinen ersten Euro-Eindrücken stammt vom Tag danach. Offiziell
ausgeben durfte man das neue Geld aber erst ab 1.1.2002.
Bei der Ausgabe der ersten deutschen Euros und danach gab es ein paar Probleme.
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2
Ab
dem 21. Juni 1958 wurde das
erste Zweimarkstück (mit Bundesadler auf der Rückseite) durch die Münze
mit dem Abbild von Max
Planck ersetzt. Dieses
Zweimarkstück (mit Jahreszahlen ab 1957 vorkommend) wurde bis 1971 geprägt.
und war bis zum 31. Juli 1973 als Zahlungsmittel im Umlauf.
Bereits ab 1970 ersetzte man „Max Planck“ durch automatensicherere Münzen mit
Abbildungen von (verstorbenen) Politikern der Bundesrepublik.
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3
Gemeint ist der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel.
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