Verkehrte (Um)Welt im Jahr 2000*
Im Kurpark von Bad Oldesloe in Ostholstein nervt eine große
Saatkrähen-Kolonie die Kurgäste und Anwohner mit ihrem ständigen Gekrächze. Im niedersächsischen Diepholz mussten Freiluftkonzerte abgebrochen werden, weil
die dortigen Krähen den Besuchern auf die Köpfe kackten.
(In der Ukraine haben sie schon vor Jahren dafür gesorgt, dass eine ganze
Region um den Ort Tschernobyl
auf Jahrhunderte hinaus unbewohnbar wurde und in der Folge Tausende von
Menschen an Krebs erkrankten – einer
weiteren geschützten, aber für den Menschen äußerst schädlichen Tierart.)
Ein Hamburger Sozialwohnungs-Großprojekt musste auf Eis gelegt werden wegen
einem Wachtelkönig: Ein seltener Vogel, der angeblich auf den zu bebauenden
Wiesen sein Unwesen treibt.
(Erst kürzlich machte er durch seine soziale Verantwortungslosigkeit im
holländischen Enschede¹ ein ganzes Stadtviertel dem Erdboden gleich.)
Beim Neubau der ICE-Strecke Hannover-Berlin führten Maßnahmen zum Schutz
von 26 Großtrappen zu Kosten von rund einer Million Mark pro Vogel.
(Dabei haben sie erst zwei Jahre zuvor – ebenfalls in Niedersachsen –
auf
der Eisenbahn-Rennstrecke bei Eschede
ein schweres Unglück mit 101
Toten verursacht, indem sie einen ICE-Zug zum Entgleisen brachten.)
In Göttingen versuchten Feldhamster den Bau eines Forschungszentrums für
Gentechnik zu vereiteln, und im Mühlenberger Loch bei Hamburg wollten Löffelenten
den Ausbau ihres Naturschutzgebietes zu einem Großprojekt der Airbus-Industrie
verhindern (was ihnen jedoch nicht gelang).
Biber bedrohen Deiche, indem sie selber Dämme bauen; Maulwürfe
zerstören deutsche Rasenflächen, indem sie ungenehmigten Bergbau betreiben und sich unter der
Erde verkriechen (und sich damit feige ihrer Verantwortung entziehen für das
Ozonloch, den Treibhauseffekt und die weltweite Zunahme von Überschwemmungen
und anderen Naturkatastrophen).
Rücksichtslose, aber geschützte Fledermäuse vereiteln durch gezieltes
Koten – als Zeichen ihrer Anwesenheit in fremden Dachstühlen – den Ausbau
von Häusern, und der bekannte Automörder
Steinmarder genießt in aller Ruhe eine halbjährige Schonzeit (obwohl
alljährlich auf deutschen Straßen und Autobahnen Massenkarambolagen mit
Millionenschäden und Tausende von getöteten Menschen und Tieren auf sein Konto
gehen).
Gewissenlose Kormorane schädigen Fischzüchter und Angler, stören Jäger
und Erholungssuchende und dürfen trotzdem nicht abgeschossen werden (obwohl
sie bekanntermaßen seit langem die Weltmeere leer fischen und allein im Jahr 2000 bereits den gesamten Fischbestand der ungarischen Theiß²
vernichtet haben).
(Und in meinem Garten hält ein Blaumeisen-Pärchen seit Wochen hartnäckig einen
Nistkasten besetzt; im Schlafzimmer feiern Stechmücken Blutorgien, und am
Honigglas in der Küche kleben gierige Ameisen.)
Harte Fakten und kein Zweifel:
Die Natur befindet sich erbarmungslos auf dem Vormarsch und bedroht unser aller
Lebensraum und Existenzgrundlage.
(Wir sollten nicht aufhören uns gegen sie zu
wehren.)
Hier
gibt's den Text als PDF
*
Anmerkung: dieser Text entstand als Antwort auf einen Artikel in der Illustrierten
"Stern" (Nr. 18 vom 27.04.2000). In seinem – von ihm selbst so bezeichneten – Pamphlet "Wenn Naturschutz
Nonsens wird" stellte der Autor Wolfgang Röhl anhand der oben genannten Beispiele den Artenschutz als übertrieben,
schädlich und viel zu kostspielig dar.
Die in Klammern stehenden Tatbestände habe ich hinzugefügt. Sie
sind leider auch nicht völlig frei erfunden.
Zurück nach oben
¹
Durch
die Explosion
der Feuerwerksfabrik von Enschede am 13. Mai 2000 starben 23 Menschen. 947
wurden verletzt und 1500 Wohnhäuser beschädigt
oder zerstört.
Zurück zum Text
2 Nach
schweren Regenfällen brach am 30. Januar 2000 in der rumänischen Stadt Baia
Mare der Damm des Absetzbeckens einer Golderz-Aufbereitungsanlage. Zirka 100
Tonnen Zyanid gelangten in den ungarischen Fluss Theiß, vernichteten dort alles
Leben und damit auch die Existenzgrundlage einiger hundert Fischer.
Bei einer ganz ähnlichen Katastrophe in Ungarn trat am 4. Oktober 2010 beim Kolontár-Dammbruch
bis zu eine Million Kubikmeter giftiger Rotschlamm aus den Speichern eines
Aluminiumwerks aus. Zehn Menschen starben, 150 wurden verletzt und ein ganzer
Landstrich wurde unbewohnbar.
Zurück zum Text