Windstiller Morgen
am Ufer der Weichsel
Der Tag ruht noch
in den Armen der Felder
über den Halmen
steht die Luft.
Wer am Straßenrand
schon auf den Beinen
sucht seinen Schatten
dreht sich nicht um
hält den Atem an
oder Ausschau
nach den Wolken der Nacht ...
Zweitausendmeter weiter
glitzert der Fluss, bremsen die Laster
springen Männer ab mit breiten
blitzblanken Schaufeln.
Einer prüft mit feuchtem Finger
aber alle wissen sie woher
und dass er heute nicht weht
der Wind.
Schnell die Planen herunter, die grauen
Tücher vor Mund und Nase gebunden.
Immer dringt etwas durch
was dann wie Feuer
brennt, wie bitteres Blei
auf der Zunge liegt.
Sie schweigen
schaufeln, fegen
die Ladeflächen leer –
ein Wenig trägt die Luft
das Meiste treibt die Strömung fort.¹
Die Männer waschen
ihre Schaufeln im Fluss –
abwärts durch Krakau, Warschau
zieht der stille, graue Strom
und Tag für Tag
Schaufel um Schaufel
löst sich so auf, verschwindet
die Asche von Auschwitz. ²
"Windstiller Morgen ..."
erschien 2011 in Wroclaw (Breslau) in der Taschenkalender-Ausgabe
der polnischen Literaturzeitschrift Cegła (sprich: Zegwa = Ziegel) Nr. 18.
Dort kann man die Texte
im Original und
in der
Übersetzung nachlesen.
(Und wer mal sehen will, was das Übersetzungs-Werkzeug von
Google
mit den Texten macht,
der klicke hier.
)
¹ Auszug aus den autobiographischen Aufzeichnungen
von Rudolf Höß -
Lagerkommandant
des KZ Auschwitz von 1940 - 43:
"Je nach
Körperbeschaffenheit wurden bis zu drei Leichen in eine Ofenkammer gebracht.
Auch die Dauer der Verbrennung war durch die Körperbeschaffenheit bedingt. Es
dauerte im
Durchschnitt 20 Minuten. Wie schon an früherer Stelle gesagt, konnten die
Krematorien I und II
innerhalb 24 Stunden ca. 2000 Leichen verbrennen, mehr war, ohne Schäden zu
verursachen,
nicht möglich. [...] Die Asche fiel während des ohne Unterbrechung
fortgesetzten Verbrennens
durch die Roste und wurde laufend entfernt und zerstampft. Das Aschenmehl wurde
mittels
Lastwagen nach der Weichsel gefahren und dort schaufelweise in die Strömung
geworfen,
wo es sofort abtrieb und sich auflöste." - So sorgten die
Täter für die Vernichtung der Spuren.
Höß' Aufzeichnungen
erschienen erstmals 1958 unter dem Titel "Kommandant in Auschwitz"
bei der Deutschen
Verlags-Anstalt
in Stuttgart. Herausgeber war der Historiker Martin
Broszat,
ehem. Direktor des Instituts
für Zeitgeschichte in München, der nach seinem Tod in den Verdacht
geriet, in seiner Jugend selbst Mitglied der NSDAP gewesen zu sein.
Die aktuelle 23. Auflage von
"Kommandant in Auschwitz" erschien
im April 2011 als
Taschenbuchausgabe
bei dtv, München; 296 Seiten, ISBN 978-3-423-30127-5. (Es fällt schwer,
Werbung für ein solches Buch zu machen, aber ich kann Ihnen versichern: Der
Autor und Täter
hat nichts mehr davon. )
² Es
gibt auch Menschen, die das alles leugnen, zum Beispiel den Bischof und
Holocaust-Leugner
Richard Williamson.
Ein Beitrag (2 Teile) über
Auschwitz als Symbol für den Holocaust steht bei tagesschau.de.